Mehltypen – Ein kleiner Exkurs by Papa Erik backt

Mehltypen – Ein kleiner Exkurs 

Während das Roggenmischbrot im Ofen backt und der typische, wohlige säuerlich-krustige Duft in der Luft liegt, denke ich über die jahrtausendealte Tradition des Brotbackens nach und entschließe mich für euch darüber zu schreiben.

Allgemeines über Getreide, Korn und Mehl

Über Getreide, das Korn, die Kunst das Korn des Getreides zu Mehl zu vermahlen. Über die Müller und Bäcker die uns jeden Tag aus Mehl, Wasser und Salz dieses wunderbare Grundnahrungsmittel auf den Tisch zaubern und auch darüber, dass Brot eine kleine Renaissance zu erfahren scheint. 

Das Land ist voller Brotbäcker, mich eingeschlossen. Und je mehr ich mich mit Brot beschäftige, desto mehr lerne ich. Jeder Fehler macht mich fuchsig und weckt meinen Ehrgeiz nochmal von vorn zu beginnen, um Kruste und Krume besser zu entwickeln, um jedes Brot äußerlich und innerlich noch besser zu machen. Und um jedem Esser ein kleines „mmmmmhh“ zu entlocken. 

BmEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Aber zurück zum Wesentlichen. Meine kleine gedankliche Reise beginnt, interessanterweise, beim BmEL. Beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Bei einer Recherche bin ich über die „Leitsätze für Brot und Kleingebäck“ gestolpert. Wir Deutschen kennen schätzungsweise 300 Sorten Brot und ca. 1.200 Sorten Kleingebäck. Kein Wunder also, dass es bei unserem „Nationalheiligtum“ Brot Leitsätze gibt, die in einem Ministerium festgeschrieben stehen.

Leitsätze für Brot und Kleingebäck

Hier heißt es unter Punkt 1.1.1 Brot (Quelle: www.bmel.de): „Brot im Sinne dieser Leitsätze ist ein Lebensmittel, das auf der Basis von Getreide und/oder Getreideerzeugnissen nach Zugabe von Wasser oder wasserhaltigen Flüssigkeiten sowie von anderen Lebensmitteln in der Regel durch Kneten, Formen, Lockern und Backen oder Kochextrudieren des Brotteiges hergestellt wird.“ Ich schiebe den Begriff „Kochextrudieren“ schnell beiseite und lese weiter. Ich möchte mehr über Getreide und Getreideerzeugnisse erfahren. Es soll sich hier schließlich um Mehl drehen. Weiter heißt es in den Leitsätzen unter Punkt 1.1.8 Getreide (Quelle: www.bmel.de):
„Getreide im Sinne dieser Leitsätze sind die Samen von 

  • Brotgetreide
  • Sonstigem Getreide
  • Pseudogetreide (Pseudocerealien)“

Aha, hier wird schon das erste Mal von den Samen gesprochen – vom Korn also. 

Die Brotgetreidesorten 

An dieser Stelle erlöse ich euch von weiteren Unterpunkten dieser Leitsätze und beschäftige mich in diesem Artikel mit den Brotgetreiden. Weizen, Dinkel, Emmer, Einkorn und Roggen. Zum einen, weil sie uns Brotessern natürlich extrem nah sind. Zum anderen aber auch, weil Gerste-, Hafer-, Hirse-, Mais- und Reismehle, die zu sonstigem Getreide zählen, nicht überall zu jeder Zeit verfügbar sind. Ganz zu schweigen von den so genannten Pseudogetreiden wie Buchweizen, Amaranth und Quinoa. 

Ein weiterer Aspekt ist natürlich auch unsere schnelllebige und hektische Zeit, in der wir Brot backen. Das Netz ist voll mit Brotrezepten aus „herkömmlichen“ Mehlen und als Papa zweier kleiner Töchter bin ich froh, wenn ich die Zeit finde meine Brote, die ich mit „normalen“ Brotgetreiden backe, zu perfektionieren und zu bestem Geschmack zu bringen. Also streiche ich auch Emmer und Einkorn von der Liste der Mehle, mit denen ich backe und von denen ich hier berichte. Lest gerne weiter, wenn euch die Getreideerzeugnisse aus Weizen, Dinkel und Roggen interessiert. Nichts anderes ist Mehl nämlich, ein Getreideerzeugnis hergestellt „z. B. durch Zerkleinern, Quetschen, Fraktionieren, Erhitzen“ (Leitsatz Punk 1.1.9, Quelle: www.bmel.de).

Aber der Reihe nach. Erst einmal zum Getreide.

Getreide und die Bedeutung für die Menschheit

Getreide gehören zu den Süßgräsern, dienen uns als Viehfutter und ihre Früchte, ihre Körner sind eine hervorragende Nahrungsquelle für uns Menschen. Bereits vor 10.000 Jahren wurde die Zucht und der Anbau von Getreide betrieben und das ist auch ein Grund dafür, dass wir Menschen sesshaft geworden sind. 

Laut dem BmEL (www.bmel.de) wurde Getreide in Deutschland im Jahr 2022 auf ca. 6,1 Millionen Hektar Ackerland angebaut. Beinahe auf der Hälfte dieser Fläche wurde Weizen angebaut. Die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland beläuft sich auf ca. 16,6 Millionen Hektar. An dieser Zahl verdeutlicht sich einmal mehr, welche Bedeutung Getreide für uns Menschen hat.

Das Bundesministerium für Ernährung und Lebensmittel spricht von einem Produktionswert von rund 12,8 Milliarden Euro. Dabei erfolgt der Anbau nicht nur als Zielverwendung für Lebensmittel, sondern auch als Tierfutter, nachwachsender Rohstoff in der Energieerzeugung und für die Alkoholherstellung. 2022 wurden laut den Angaben des BmEL ca. 43 Millionen Tonnen Getreide geerntet, 23 Millionen davon entfällt hierbei auf die Weizenernte.

Nach der Ernte dieser schieren Menge folgt der nächste Schritt. Das Dreschen. Dabei werden die Körner von der Pflanze getrennt. Ganz altertümlich beschrieben werden die geernteten Pflanzen in Bündeln an ihrem Ende gepackt und wieder und wieder auf den Boden „gedroschen“, geschlagen. Später gab es den sogenannten Dreschflegel. Rudimentär beschrieben: ein langer Stab an dessen Ende ein zweiter Stab flexibel angebracht war. Der Dreschflegel wurde später im Mittelalter zum Beispiel auch als Waffe eingesetzt. Wenn man sich vor Augen wie der Flegel benutzt wird kann man sich auch vorstellen warum. Der Bauer schwingt den langen Stab und drischt so mit dem zweiten kürzeren Stab und purer Gewalt auf das Getreide ein. Dabei trennt sich das Getreide in Korn, Spreu und Stroh. 

Die Spreu vom Weizen trennen

Das Stroh kennen wir alle als die großen Ballen, die nach der Erntezeit zum trocknen auf den Feldern verbleiben. Die Halme und Blätter der Getreidepflanze ohne ihre Ähren – ohne den Blütenstand der Pflanze. Nach dem Dreschen folgt der bedeutende Schritt: „die Spreu vom Weizen trennen“. Im übertragenen Sinne geht es darum das Gute vom Schlechten zu trennen. Also das Korn von den Hülsen, Samenhüllen, Stängelteilen, dem Spelz (das Deckblatt des Korns) und den Grannen (die starren, in den Wind ragenden Enden der Ähre) zu isolieren. 

Anbau und Verarbeitung von Getreide

Welchen Stellenwert Getreide, der Anbau und die Verarbeitung in der Entwicklung der Menschheit einnimmt lässt sich bis hierher auch wiederholt in unserem späten Sprachgebrauch beobachten. Das Wort Flegel beispielsweise für einen ungehobelten Rüpel, der nur den Flegel schwingen kann, das Sprichwort „die Spreu vom Weizen trennen“ oder der Begriff „Dreschen“ für harte und unmittelbare Gewalteinwirkung. Noch deutlicher zeigt dies allerdings die Berufsbezeichnung, die sich mit dem nun gewonnen Korn beschäftigt. Der Beruf des Müllers. 

Die Geschichte der Müller

Kleiner Fun Fact am Rande: mein eigener Nachname „Müller“ ist noch immer einer der häufigsten Nachnamen Deutschlands und eng verknüpft mit der Bedeutung von Getreide für uns Menschen. Der Betreiber einer Wassermühle war der Müller, der einer Windmühle der Windmüller und ein Lohmüller betrieb eine Mühle für Eichenrinde. Der Wiesmüller indes betrieb eine Mühle in der Nähe einer Wiese und derjenige in der Nähe eines Dorfes war der Dorfmüller. 

Der Müller sorgt also dafür, dass aus dem gewonnenen Korn nun das Mehl entsteht. Was heute industriell mit vergleichsweise wenig Aufwand entsteht, war in der Geschichte ein mühsamer Prozess. Wir kennen alle die Wasser- und Windmühlen, die mittels der Energie des Wassers oder des Windes riesige Mahlsteine antrieben, zwischen denen das Korn zu Mehl vermahlen wurde. Ein Relikt dieser alten Zeiten kann man zum Beispiel noch heute in Potsdam bei Berlin bewundern. 

So angesehen die Müller auch waren, sie konnten schließlich rechnen und schreiben, so viel Unehrlichkeit wurde Ihnen auch nachgesagt. Im Mittelalter gab es noch den Mühlenzwang und ein Bauer war gezwungen sein Getreide in der nahen Mühle vermahlen zu lassen – die Grundherren wollten schließlich ordentlich mitverdienen. Für die Einhaltung dieses Zwangs war der Müller selbst verantwortlich und hat sicher ebenfalls gut mitverdient.

Genug der Geschichte, zurück zum Korn.

Das Getreidekorn – der Aufbau 

Ganz einfach beschrieben besteht das Korn von innen nach außen aus dem Keimling, dem Mehlkörper, der umgeben ist von einer sogenannten Aleuronschicht, und den Samen- und Fruchtschalen. 

Im Keimling stecken alle Informationen, die der Pflanze zur Vermehrung dienen. Sie ist besonders eiweißhaltig und steckt voller ungesättigter Fettsäuren. Der Keimling macht 2-3 Prozent des gesamten Korns aus. Den größten Teil macht der Mehlkörper aus. Er besteht ebenfalls aus Eiweiß aber hauptsächlich aus Kohlehydraten wie Stärke und Ballaststoffen. Wiederum eiweiß- und vitaminreich ist die Aleuronschicht. Sie schützt den Mehlkörper sowie den Keimling und leitet und speichert Nährstoffe. In den Samen und Fruchtschalen stecken Vitamine und Mineralstoffe.

Jetzt kommt das, was mich am meisten fasziniert: Der Mensch hat über Jahrtausende die Kunst entwickelt die einzelnen Schichten für sich nutzbar zu machen, indem er erkannt hat, dass es sich lohnt aus ein- und demselben Korn durch verschiedenste Techniken verschiedene Mehle herzustellen. Die wiederum für verschiedenste Gebäcke Anwendung finden. Unglaublich!

Was sagt die Mehltype aus und wofür brauche ich diese überhaupt?

Halten wir es ganz plakativ: Um ein Mehl in seiner Type zu bestimmen verbrennt man in dem Prozess ganz genau 100g Mehl bei 900°C. Die übriggebliebene Asche wird nun gewogen und das Gewicht bestimmt die Type des Mehls, denn das Gewicht der Asche Aufschluss darüber gibt wieviel Milligramm Inhaltsstoffe sich im Mehl befinden. 

Bei einem Weizenmehl Type 550 befinden sich also durchschnittlich 550mg Inhaltsstoffe (Mineralstoffe, Vitamine etc.) im Mehl. Bei einem Weizenmehl 1050 also 1050mg Inhaltsstoffe und so weiter. Wenn wir uns nun nochmals das Getreidekorn mit seinen einzelnen Schichten vor unser inneres Auge rufen, zeigt es, dass der Mensch erkannt hat, dass wir nicht einfach nur das gesamte Korn vermahlen müssen. 

Vollkornmehl

Ein Vollkornmehl besteht, wie der Name schon verrät, aus dem vollen Korn. Deswegen gibt es beim Vollkornmehl auch keine Typenbezeichnung. Alle Inhaltsstoffe aus dem Korn und besonders aus den wertvollen Randschichten befinden sich im Mehl. Je kleiner also die Typenbezeichnung wird, desto weniger ist also vom Korn vermahlen worden. 

Weizenmehl 405

Durch das Schleifen des Korns beispielsweise kann jede einzelne Schicht des Korns entfernt werden. 

Bei einem Weizenmehl Type 405 ist zu Beispiel nur der Mehlkörper vermahlen. Stärkehaltig wie er ist, bindet er enorm gut Wasser und hilft beispielsweise Saucen zu binden und anzudicken. Dieses Wissen ist enorm wichtig, wenn man verstehen will, wie Brote und Gebäcke sich im Zusammenhang mit Triebmitteln und anderen Zutaten verhalten. 

Vollkornmehle und Mehle mit höheren Typen nehmen Wasser sehr viel langsamer auf als kleinere Typen. Sie bringen schwerere Teige hervor, die weniger gut aufgehen. Grundsätzlich kann man also sagen und als Faustregel verwenden: Je feiner das Gebäck, desto kleiner die Typenzahl. 

Was ist mit Gluten? 

An dieser Stelle halte ich es kurz und einfach – zu viel Chemie nimmt mir den Spaß am Backen und Kochen und das sage ich als ausgebildeter Koch. 

Gluten ist ein Klebereiweiß und entwickelt sich aus zwei Eiweißteilchen, die sich im Mehlkörper befinden. Diese verbinden sich während dem Kneten sowie unter Wasserzugabe und bilden Stränge, die am Ende das Teiggerüst bilden. Im Brot sorgt es dafür, dass die Krume sich schön ausbildet, weil sie dafür sorgt, dass sich Gas im Brot ausdehnt ohne, dass das Teiggerüst zu sehr reißt. Bei einem Mehl mit geringer Typenzahl kann sich mehr Gluten entwickeln, weil viele Eiweißteilchen auf kleinem Raum wirken können, wohingegen in einem Vollkornmehl noch viele andere Inhaltstoffe mitwirken. 

Auch hier wieder, je feiner das Gebäck, desto geringer die Typenzahl. Das enthaltene Gluten unterscheidet sich etwas von Getreide zu Getreide. 

In Dinkelmehl beispielsweise befindet sich relativ wenig Gluten, hier kann der gewiefte Bäcker dem Teiggerüst mit etwas Ascorbinsäure nachhelfen. Einfach etwas Zitronensaft dem Teig beimengen. 

Welches Mehl verwende ich persönlich für welches Gebäck in meiner Küche?

Das 405er Mehl nehme ich für Süßgebäcke, denn niemand möchte seinen Mürbeteigkeks aus Vollkornmehl essen. Dieser würde porös, bröckelig und trocken werden. Das 550er nehme ich für Brote, die in meiner kleinen Familie eher zum Frühstück gegessen werden und die ich mit Hefe gehen lasse. Lecker mit Marmelade und Schoki drauf. Und ganz wichtig: für Pizza!

Das 1050er und das Vollkornmehl nehme ich für herzhafte und saftige Brote, die mit Butter allein schon ein Genuss sind.

Reine Roggenbrote stehen bei uns nicht so hoch im Kurs, also vermische ich sie mit Weizenmehlen zu leckeren Mischbroten. Außerdem wird Elke, mein Roggensauerteig, mit Roggenmehl Type 1150 gefüttert.

Apropos Mischbrote und damit ein guter Schluss

Laut des Leitsatzes des BmEL darf ein Mischbrot nur aus 50% Roggenmehl und 50% Weizenmehl bestehen. Verdammt… Meine Brote bestehen nicht immer zu genau 50% aus beiden Mehlen – was ist das jetzt? Ist das noch ein Brot? Hmmmm…

Nehmt die Dinge nicht zu ernst, Brot soll Spaß machen und ist viel mehr als ein Leitsatz.

Wenn du mehr von “Papa Erik backt” lesen möchtest, dann solltest du unbedingt auf seinem Instagram Kanal vorbei schauen, den ich dir hier verlinke. 

2 Comments

  1. Schön, hier über verschiedene Mehltypen zu lesen. Ich würde auch gerne mehr backen. Für Brot braucht man natürlich auch die richtige Mehltype.

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